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Aus den Memoiren der Helga Hufflepuff

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Einweihung

Da war es wieder. Dieses unsagbare Gefühl alles schon einmal erlebt zu haben, zu wissen, was gleich passieren wird und es doch nicht unbedingt verhindern zu können.
Ich hasste diese Situationen, die ich wie so oft nicht beeinflussen konnte.
Doch der Reihe nach. Ich, Helga Hufflepuff, wurde von meiner Lieblingstante Hedda vor vielen Jahren auf etwas vorbereitet, dass ich damals nicht glauben konnte und wollte.
Ich sollte über ganz besondere Fähigkeiten besitzen, die für mich einmal sehr wichtig sein würden. Damals war ich knapp über sieben Jahre alt und verstand noch nicht, was Tante Hedda da über mich erzählte. Ich sollte in die Zukunft sehen können? Ausserdem sprach sie davon, dass ich die Fähigkeit besässe, mich in ein Tier zu verwandeln.
Das konnte doch eigentlich nur ein schlechter Witz sein. Das ging doch gar nicht. Doch jedes Wort, das Tante Hedda sagte, brannte sich in mein Gedächtnis ein und wurde im Laufe der Jahre wahr.
Ein einziges Mal würde ich mich selbst in der Zukunft sehen können, sagte Tante Hedda. Und darauf wollte sie mich vorbereiten, damit ich alles intensiv wahrnehme und mich nicht davor erschrecke. Diese Fähigkeiten würden irgendwann stärker werden und ich würde lernen, mit ihnen umzugehen. Kluge Worte von Tante Hedda.
Die Vorsehung über mich selbst hatte ich bereits im Alter von achteinhalb Jahren. Tante Hedda wusste also ziemlich genau, wann sie mich einweihen musste. Und ich kann mich daher an sehr viele Details dieser Vorsehung erinnern.
Was sah ich?
Ein junges Mädchen von circa 16 bis 20 Jahren mit einem grünen, weiten Umhang, der mit vielen farbig, leuchtenden Symbolen versehen war, stand mit Gleichaltrigen auf einer Waldlichtung eng aneinander um ein loderndes Feuer. Ich erkannte mich in diesem Mädchen. Die kleine Nickelbrille, die ich wie immer in der linken Hand trug, die langen, dunkelblonden Haare und die Kette mit dem tiefroten Rubinanhänger. Eine Kette, die ich von Tante Hedda bekommen hatte und immer trug.
Die Symbole auf meinem und den Umhängen der anderen hatte ich noch nie gesehen. Sie leuchteten so wahnsinnig grell in verschiedensten Farben, so dass die Lichtung von einem eigenartigen Farbenlichtspiel erhellt wurde. Viele Lichtflecke sahen wie Augen von Tieren aus. Manchmal sehe ich sie heute noch vor mir, diese vielen Augen.
Einige der jungen Leute hatten ihre Haustiere bei sich, die sie fest an sich drückten. Auch die Augen der Tiere reflektierten das Licht des Feuers und es war eine ganz besondere Stimmung unter uns. Einerseits war es bedrückend ruhig, die Luft konnte man fast sprichwörtlich schneiden und wir schienen vor Neugier fast zu platzen. Andererseits ein lautes Stimmengewirr, um seiner innerlichen Angst Einhalt zu gebieten und sie zu überlisten. Widerspruch? Wie soll das gehen? Absolute Stille wird durch laute Gespräche durchbrochen und umgekehrt. So habe ich es in Erinnerung.
Was gab es noch besonderes? Viele hatten Spitzhüte auf oder einige trugen kupferne Kessel und Bücherpakete mit sich herum. Andere hatten Kräuter in den Händen. Eine eigenartige Ansammlung von Personen, und doch so viel Vertrautes. Ich hatte das Gefühl, dazuzugehören. Sicher und geborgen in dieser Gruppe stehend, versuchte ich die Gesichter einzelner zu erkennen und sie mir einzuprägen. Das Mädchen mit den dunkelschwarzen Haaren und den großen, tiefbraunen Augen, das so herzhaft über die Späße von zwei Jungen lachen konnte. Mit ihr unterhielt ich mich lange. Worüber, das konnte ich leider nicht hören, oder ich wollte es damals auch nicht. Mit acht interessiert so was noch nicht. Da sind die Bilder viel wichtiger.
Wie die der beiden Jungen neben mir. Lausbubengesichter. Der eine mit vielen Sommersprossen und hellblauen, durchdringenden Augen. Seinem Blick konnte keiner in der Gruppe widerstehen. Der andere hatte rabenschwarzes glattes Haar und war sehr, sehr blass. Ich hatte Angst, dass er umfällt. Er sah ernst aus und machte trotzdem seine Späße. Liebenswert, aber auch unberechenbar schien er zu sein. Ich hatte ein ungutes Gefühl und suchte seine Nähe nur dann, wenn jemand dabei war. Ich war ihm gegenüber ängstlich und unsicher. Doch ich gab ihm in meinem Traum eine Chance und stieß ihn nicht fort, wie ich es oft in Wirklichkeit getan hatte. Ich wollte ihn mit einbeziehen in unsere Gespräche, genauso wie es der andere Junge auch tat. Jeder Mensch, jedes Lebewesen hat einen guten Kern in sich, auch wenn man manchmal lange nach ihm suchen muss. Eigenartig, woran man sich im Nachhinein erinnert und was einen in seinem Leben prägt. Heute halte ich mich an diesen Leitspruch, jedem eine Chance zu geben.
Doch zurück zu meinem Traum, der nie zu enden schien. Da waren die Vorführungen für so was wie Unterrichtsfächer, von denen ich nicht ahnte, dass sie existierten.
Gut, Tante Hedda, meine Mutter und viele meiner französischen Verwandten kochten auch in großen Kupferkesseln über offenen Feuerstellen. So wunderte ich mich nicht, als ein Riesenkessel in die Runde gebracht wurde. Komisch war nur, dass ein einziger diesen verdammt schweren Topf bewegen konnte. Doch ich hatte mir dabei nichts gedacht. Unser Mittagessen kam schließlich auch aus diesen Kesseln. Und jetzt sah ich zum ersten Mal, dass mit Kräutern, tierischen Bestandteilen jeglicher Art, Sprüchen und vielem Rühren nach genauen Vorschriften Zaubertränke mit den unterschiedlichsten Wirkungen gebraut werden konnten. Jeder Trank wurde vorgeführt und bei Erfolg mit Applaus belohnt. Es waren alles Tränke, die zur "Belustigung" dienten und keine bleibenden Schäden hervorriefen. Zum Beispiel war da der Regenbogentrank, den der blasse Junge und einige andere freiwillig zu sich nahmen. Nach dem letzten Schluck dauerte es wenigen Sekunden und ihre Gesichter leuchteten in den Farben des Regenbogens auf. Bei den Mädchen war der Herztrank beliebt. Jedes Mal, wenn sie sich einem Jungen zuwandten und sie ihm zugeneigt waren, auch ohne es zu wissen, nahmen ihre Pupillen die Form eines Herzen an und pulsierten leuchtend rot auf. Der Meister der Kupferkessel ermahnte uns, immer bei der Sache zu bleiben beim Brauen von Zaubertränken und Tinkturen, uns nicht ablenken zu lassen, denn dann könnte aus etwas Harmlosen etwas Tödliches werden. Ich hatte Respekt vor dieser unheimlichen Kraft, die aus Pflanzen und anderem entstehen konnte. Was als einzelner Bestandteil so unscheinbar und ungefährlich war, konnte in der falschen Zusammensetzung gefährlich werden.
Der Kupferkessel entschwand schwebend von der kleinen Tribüne. Wie von Geisterhand wurde alles blitzblank geputzt.
Ich sah mich wieder mit dem Mädchen, deren Namen ich im Sternenhimmel lesen konnte, in ein hitziges Gespräch vertieft. Ihr Name war Rowena. Einige Bruchstücke, Wortfetzen unserer Unterhaltung blieben mir im Gedächtnis. Schule, Gemeinsamkeit, Kämpfe, dunkle Mächte, Spiele, Duelle, Besenrennen und einiges mehr.
Unsere Aufmerksamkeit wurde wieder auf das Geschehen auf der Lichtung gelenkt. Überall erschienen aus dem Nichts Lichter. Auf die Frage der Zauberin, die in einem roten goldbestickten Umhang auf die Tribüne trat, ob wir nicht auch die Nacht zum Tag machen wollten, rief die Menge natürlich ja. Kobolde, sagte man uns, werden jetzt umhergehen und uns Stäbe in die Hände geben. Wir sollten nicht irgendwelche Bewegungen machen oder gar Sprüche aufsagen. Ruhig sollten wir sein. Doch wie immer konnte das nichts werden. Der blonde Junge schwang unauffällig seinen Stab, der eine gelbe, nach Schwefel riechende Spur hinterließ. Clever wie er war, wechselte er blitzschnell seinen Platz, um einer Bestrafung zu entgehen, denn sowohl die Zauberin als auch die Kobolde hatten sein Tun bemerkt. Sie schauten grimmig in die Runde und dann murmelte die Zauberin einen Spruch. Aus dem Stab des Übeltäters sprang eine rote Leuchtflamme in den Nachthimmel und wir konnten alle den Namen "Godric" lesen. Der Platzwechsel hatte nichts genutzt und wir wussten, dass keine Schandtat unbemerkt bleiben würde. Godric wurde ermahnt und gebot mit gesenktem, knallrotem Kopf Besserung. Nun konnte das große Lichtspiel beginnen. In kleineren Gruppen wurden wir von erfahrenen Kräften aufgemuntert, uns immer wieder an diesem kleinen, doch für uns damals unheimlich schwierigen Zauber zu versuchen. Mit mehr oder weniger ungelenken Bewegungen schafften wir es nach geraumer Zeit, die Lichtung mit unseren Stäben zu erhellen. Ich konnte es immer noch nicht glauben und dachte, ich stände unter Hypnose und das alles passiere nicht wirklich mit mir. Doch da kam schon wieder etwas Neues. Ich sah einen schwarzen Schatten, der mit einer riesigen Geschwindigkeit aus dem Himmel direkt auf mich zukam. Kurz vor mir zog dieser Schatten an etwas und stieg steil wieder in den Himmel auf. Rowena hielt mich im letzten Moment fest, bevor ich das Gleichgewicht verlieren konnte. Ich stand mit weichen Knien im Rund der neugierigen Jugendlichen. Die Jungen waren begeistert und wollten es dem Unbekannten gleich tun. Sie wollten fliegen. Fliegen auf einem Besen. Das war zu viel. Ich schnappte immer noch nach Luft, als die ersten Freiwilligen ihre Flugstunden begannen. Am Geschicktesten stellte sich der schwarzhaarige Junge mit Namen Salazar an. Es war als ob er mit dem Besen geboren worden sei. Sie waren eine Einheit. Selbst der Weltmeister im Besenfliegen war von seinem Talent beeindruckt. Nach einiger Zeit wagte ich einen Versuch mit dem Besen. Ich hatte eher einen Hüpfer zustande gebracht als einen Flug. Nach der Besenshow kam die Verwandlungsshow. Gegenstände wurden zum Schweben und Sprechen gebracht, ihnen wurden Füße und Arme gegeben oder sie wurden in andere Sachen verwandelt. Ich hatte erst an Tricks und Täuschungen gedacht, die einem etwas vorgaukeln sollten. Ich wurde eines besseren belehrt. Als mir der schwarze Stab vom Lehrer in die Hand gedrückt wurde und ich seine Sprüche und Bewegungen nachmachen musste wie so viele andere auch, klopfte mein Herz wie wild. Aus dem Stab sprühten Funken und auf einmal flog die Feder wie von Geisterhand. Ich dachte immer noch an Hypnose und konnte nicht fassen, was da mit mir passierte.
Die letzte Aufführung war der Höhepunkt schlechthin. Ein Bär stand auf dem Podium und auf einmal stand statt seiner ein kleiner, alter Zauberer vor uns. Er sprach etwas über Animagi. Personen, die sich in Tiere verwandeln konnten. Das ging gar nicht in meinen Kopf herein. Er zog seine Kreise durch die Menschenmasse und zeigte gelegentlich auf einzelne. Er bat sie auf die Bühne. Und was dann passierte, konnte keiner glauben. Er schwang mit seinem Zauberstab über den Kopf der Person und in einer Blase erschien ein Tier, in das man sich in einigen Jahren verwandeln würde. Da waren Schwäne, Katzen, Eulen, Hunde und anderes zu sehen. Ich dachte, seine Vorstellung wäre zu Ende und atmete gerade tief durch. Doch in diesem Moment ging er direkt auf mich zu. Er sah mir tief in die Augen und forderte mich auf, ihm zu folgen. Nein, ich wollte nicht. Der Atem stockte, das Herz schien auszusetzen. Das war zu Viel des Guten. Doch ich konnte nichts dagegen tun. Meine Beine schienen sich selbstständig zu machen. Ich kam auf der Bühne an, er schwang seinen Zauberstab und über mir erschien in einer durchsichtig, gelb marmorierten Blase, das Bild eines Dachses.
Ich wusste nun mit Sicherheit, dass es Zauberei ist. Ich war nicht normal. Ich konnte es nicht sein. Unsicher wankte ich von dem kleinen Podium, das ich für die Aufführung oder besser Vorführung betreten hatte. Ich setzte mich völlig aufgelöst und unsicher an den Rand der Lichtung. Ich wollte so weit wie möglich von den anderen weg sein. Ich brauchte scheinbar einen Moment für mich allein. Wie ein Haufen Unglück in mich zusammengesunken, sah ich den anderen von weiten zu. Und auf einmal lachte ich laut und strahlte über das ganze Gesicht. Ich wusste nun, dass ich eine Hexe, eine Zauberin oder was auch immer man dazu sagte bin. Ich erkannte, wer ich bin, wer ich sein könnte. Und ich wusste, dass ich allen, die auch nur den kleinsten Hinweis auf Magie in sich haben, helfen würde, sich zu finden und mit ihren Fähigkeiten umgehen zu lernen. Nach dieser Eingebung erhob ich mich und gesellte mich zu meinen Freunden, denn das waren sie in diesem Moment geworden. Eine große Familie, die sich seit Jahrzehnten kannte und zu einem großen Treffen zusammen gekommen war. Das ist das Bild, das ich in mir verinnerlicht habe.
Als ich meiner Mutter von meinem "Traum" erzählte, wurde sie ganz ruhig und sah etwas traurig aus. Sie versuchte mir zu erklären, dass es kein Traum war. "Ja, du bist in vielem etwas ganz Besonders. Du hast nicht nur das menschliche Wesen in dir, sondern auch das Magische. Eine Gabe, ein Talent, das in unserer Familie seit einigen Jahrtausenden von Generation zu Generation weitergegeben wird. Gehe behutsam mit deinen Fähigkeiten um, pflege sie und nutzte sie im Guten und zum Guten. Du wirst eine Menge über Magie und Zauberei lernen müssen, bevor du so weit kommst in deiner Einsicht, in deinem Handeln und Tun wie in deinem Traum. Ein langer Weg auf dem wir dir als Familie helfen und beistehen werden, bist du wirklich zu dem wirst, wozu du vorgesehen bist." Das Gespräch mit meiner Mutter war mit diesen Worten nicht beendet, denn sie musste mich auf die Gefahren, die die Magie in sich barg bzw. hervorrufen konnte, vorbereiten. Erst mit den Jahren verstand ich ihre Traurigkeit in diesem Moment. Sie hatte gehofft, dass ich nicht so früh auf die Magie, die Zauberei treffen würde. Damit hatte sich mein bisheriges Leben schlagartig geändert und ich konnte nicht mehr ein einfaches Menschenkind sein. Ich musste meine magischen Fähigkeiten kennen- und benutzen lernen. Meine Eltern wollten mich vor bösen Zauberern, negativen Einflüssen schützen. Menschen mit magischen Fähigkeiten wurden oft nicht gern gesehen. Sie wurden verfolgt und kamen oft zu Tode. Das wollte vor allem meine Mutter mir so lange wie möglich ersparen. Darum siedelten wir auch kurz nach meinem siebten Geburtstag und nach dem Gespräch mit Tante Hedda um, von Deutschland nach England. Meine Mutter war Tante Hedda dankbar dafür, dass sie mich auf diese erste Vorsehung vorbereitet hat. Und sie war stolz darauf, dass ich mir ihr anvertraut hatte.
Auch heute, in meinem gesetzten Alter von mehreren hundert Jahren ist es immer noch überraschend, wenn eine Vorhersehung mich ereilt. Ich bin nun besser auf sie vorbereitet und habe den Respekt vor ihr nie verloren. Ich hoffe, dass ich vieles mit meiner Fähigkeit bewirken konnte, und sollten es auch noch so kleine Dinge gewesen sein. Stolz bin ich, wenn ich irgendwo auf der Erde ein magisches Wesen bei seiner Geburt erkenne und es mit Hilfe meines magischen Federkiels in dem großen Buch der Erwählten eintragen kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob er oder sie das erste Wesen in ihren Familien ist, das über magische Fähigkeiten verfügt oder aus einer reinen Linie eines Zauberergeschlechtes stammt. Wie schon gesagt: Jeder kann dem anderen nützen, jeder muss den anderen achten, wie er ist.

by alju

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