<<< vorhergehende Seite

Rowena Ravenclaw

Name eingeben

Adlerschwingen

Rowena lief, immer dunkler wurde es um sie herum, die Bäume türmten sich wie schwarze Schattenmauern am Rande des Weges. Die junge Frau achtete nicht auf ihre Umgebung, im-mer neue Tränen rannen über ihr Gesicht und machten sie blind. Sie rannte, bis kaum noch Luft bekam, ihre Lungen schienen zu platzen, doch die Füße liefen weiter. Eine dicke Birkenwurzel brachte sie schließlich zu Fall und Rowena blieb erschöpft liegen. Ein erneuter Weinkrampf erschütterte den Körper und ihre Hand krampfte sich fest um das Amulett. Nie mehr würde er zurückkehren, nie mehr! Dabei war doch alles wie immer gewesen, wie hätte sie denn ahnen können...
Noch am Morgen hatte er ihr nach gewunken, das Gesicht von der aufgehenden Sonne rosig gefärbt. Rowena war in den Wald gegangen, um neue Kräuter zu pflücken. Sie kannte eine entlegene Stelle, an der besonders schöne Kamille blühte. Der Weg war weit und so kehrte sie erst am späten Nachmittag zur Hütte zurück. Schon von weitem hörte sie die Stimmen. Vor der Hütte hatte sich fast das ganze Dorf versammelt, Loberus Ravenclaw war bekannt. Als sie Rowena erblickten verstummte das Gemurmel, die Menge teilte sich schweigend und gab den Weg zur Eingangstür frei. Rowena betrat den Flur. Das sonst so vertraute Haus wirkte plötzlich dunkel und bedrohlich. Sie stieg langsam die knarrenden Stufen zum Zimmer des Großvaters hinauf. Vor dem Bett kniete die alte Enderby. Sie hatte seit langem Rheuma und besuchte Loberus regelmäßig um sich mit Kräutersalben behandeln zu lassen. Rowena trat näher. Ganz klein, mit geschlossenen Augen und gelblicher Haut lag Großvater in den Kissen. Sein Gesicht war eingefallen, kein Lächeln war darauf zu sehen. Der sanfte Schein, den Rowena so liebte, war verschwunden. Der Korb rutschte aus ihrer Hand, ein Meer von Kamillenblüten ergoss sich über die alten Holzdielen und blieb leblos liegen. Wie aus weiter Entfernung hörte sie das Schluchzen der alten Frau, sah den Körper im Bett und sich selbst, völlig erstarrt, fast ebenso tot.
Mit einem brennenden Schmerz erwachte sie aus der Trance, und der Raum trat in einer so stechenden Klarheit hervor, dass sie die Augen schließen musste. Alles schien plötzlich über ihr zusammen zu brechen und sie zu begraben. Verzweifelt rang sie nach Luft. Mit einem Ruck drehte Rowena sich herum und rannte aus dem Raum. Nur hinaus, weg von dem Bett. Einige Frauen schrieen erschrocken auf, als sie aus dem Haus stürzte. Rowena hörte sie nicht. Verzweifelt lief sie in den Wald, die Blüten blieben zurück.

Die Nacht brach herein und Sterne begannen durch das Laubwerk der Bäume zu schimmern. Der Ruf einer Eule weckte Rowena. Alles war dunkel, verwundert tastete sie über den sandigen Boden um sich herum. Ihr rechtes Fußgelenk schmerzte stark. Im ersten Moment wusste sie weder wo sie war, noch wie sie hierher gekommen war. Doch die Erinnerung kehrte schlagartig zurück. Neue Tränen traten in ihre Augen, der kurze Schlaf hatte den Schmerz nicht gelindert. Ihr Großvater war tot. Er war ihr ein und alles gewesen, niemanden hatte sie je mehr geliebt und bewundert als ihn. Nichts hatte jetzt noch Sinn, all diese dummen Zaubersprüche und Mixturen. Was halfen sie? Konnten sie ihn ihr zurückbringen? Nein. Verbittert presste Rowena die Lippen aufeinander. Sein ganzes Leben hatte Großvater der Magie gewidmet, hatte den Muggeln geholfen und war dafür von ihnen verachtet worden. Die meiste Zeit hatte er mit Rowena verbracht, um sein Wissen an sie weiter zugeben. Sie war letztlich der Inhalt seines Lebens geworden und er auch der des Ihrigen. Doch nun war er fort. Mühsam schleppte sich Rowena zu einem Baum und lehnte sich an den kühlen Stamm. Der Fuß schmerzte immer stärker, vermutlich war er gebrochen. Der Schmerz und die Müdigkeit ließen sie wieder in einen unruhigen Halbschlaf sinken, das Amulett lag kalt in ihrer Hand.

Rowena konnte später nie sagen, ob es wirklich geschehen war, oder sie alles nur geträumt hatte. Als sie unter dem Baum saß und langsam wieder einzuschlafen begann, hörte sie plötzlich ein Rauschen. Vorsichtig öffnete sie die Augen und sah einen bläulich schimmernden Adler, der mit gleichmäßigen Flügelschlägen auf sie zu kam. Er senkte sich herab und ließ sich knapp vor ihr auf den Boden nieder. Die Gestalt verschwamm, Flügel wurden zu Armen und Krallen zu Beinen, dass vertraute Gesicht des Großvaters lächelte ihr entgegen. Er stand direkt vor ihr und schien doch weit entfernt. Rowena wollte in seine Arme stürzen, doch er hielt sie mit einer Handbewegung zurück. "Es geht nicht mehr", sagte er leise, "ich kann dich nicht mehr halten, du musst nun stark sein und auf eigenen Beinen stehen. Sie lassen mich nicht lange hier, deshalb hör mir zu. Ich bin gekommen um mich von dir zu verabschieden. Ich weiß wie schwer es für dich ist, doch ich kann nicht gehen ohne dir noch etwas zu sagen. Glaube weiter an die Kräfte, die in dir sind. Verschließe dich nicht deinem Talent. Nutze die Magie um anderen zu helfen, egal ob Muggeln oder Zauberern. Du bist stark genug um dich selbst zu finden. Ich kann dich zwar nicht mehr in die Arme nehmen, doch ich werde immer bei dir sein. Du hast dein Amulett, den Elfenbeinadler im Türkis, durch ihn werde ich bei dir bleiben. Er wird dir die Kraft geben zu lernen und schwierige Entscheidungen zu meistern. Er wird dir Stärke und Zuversicht schenken und dir immer zeigen, dass ich bei dir bin. Ich habe dich lieb." Wieder verschwamm das Bild und dieses Mal blieb nichts als ein sanfter blauer Schein. Rowena sprang auf, doch der Schmerz im Knöchel zwang sie wieder auf den Boden. Sie schrie nach dem Großvater bis ihre Stimme versagte, umsonst. Nicht rührte sich mehr und selbst die gewohnten Nachtgeräusche schienen verstummt. Rowena kroch zurück in den Schutz des Baumes- nun war sie endgültig allein. Traurig betrachtete sie das Amulett in ihrer Hand und blinzelte plötzlich verwundert. Ein zartes blaues Glühen, in der tiefen Dunkelheit gerade noch wahrzunehmen, umgab das Schmuckstück. Das Leuchten verstärkte sich ein wenig und floss auf Rowenas Hand über. Eine Welle von Wärme und Geborgenheit breitete sich in ihrem Körper aus. Der Wald schien auf einmal ruhig und friedlich. Die Aufregung des Tages legte sich und Rowena schlief entspannt ein. Sie war nicht allein und würde auch niemals allein sein.

Am nächsten Morgen erwachte sie von dem empörten Gezwitscher eines Vogels. Ihr Schlaf-platz befand sich direkt unter dessen Nest und dieser Sachverhalt schien ihm nicht gerade zuzusagen. Vorsichtig stand Rowena auf, ihr Knöchel war zwar stark geschwollen, schien aber doch nicht gebrochen. Sie suchte einige Kräuter und band sie um die schmerzende Stelle. Das Rezept für den Umschlag war wie selbstverständlich in ihrem Kopf und es blieb nicht das einzige. Während der nächsten Jahre erwarb Rowena mehr Wissen als je eine Hexe vor ihr. Alles Erlernte schien sich kinderleicht einzuprägen und wann immer sie es brauchte, war es da, als hätte sie erst eben erst erfahren. Rowena teilte ihr Wissen gleichermaßen mit Zauberern und Muggel. Doch die Zeiten wurden schwer für Magier. Eine innere Stimme riet ihr, vorsichtiger zu werden. Die Hysterie der Muggel wuchs von Jahr zu Jahr. Nur noch wenigen konnte sie helfen, die meisten zogen den Tod magischer Heilung vor. Flucht und Verfolgung wurden Teil des Lebens.
Ein etwas abgelegenes Dorf schien der Hexenwahn noch nicht an sich gerissen zu haben. Rowena war ungefähr fünfundzwanzig, als sie dort Zuflucht suchte. Die Wochen vergingen ruhig und sorglos. Zwar war es eigenartig, dass eine Frau in ihrem Alter allein lebte, doch niemand stellte viele Fragen. Meist gab sie Auskunft, verwitwet zu sein, und so ließen die Dorfbewohner sie in Ruhe. Rowena ging regelmäßig zum Markt um frische Lebensmittel zu kaufen. Auf einem dieser Gänge lernte sie Phiona kennen.
Der Tag war sonnig und mild. Rowena wollte noch vor dem Mittagessen die Einkäufe erledigen, um nachmittags für das Haus Zeit zu haben. Sie betrachtete gerade einige Kartoffeln an einem Stand, als lautes Kindergeschrei zu hören war. Ein Stück entfernt sprangen entsetzt zwei Frauen auseinander, als ein graues Etwas zwischen ihren Röcken hindurch rannte. Als es an Rowena vorbei lief, konnte diese gerade noch zwei angsterfüllte dunkle Augen erkennen. Da kamen auch schon die Jungen. Es waren mindestens ein Dutzend mit Steinen bewaffnete Knaben, die die dunklen Augen wild schreiend verfolgten. Als Rowena die Situation zu erfas-sen begann, war von der Horde nur noch ein leises Rufen zu hören. Verwundert drehte sie sich zu der Marktschreierin um. "Nur die kleine Dorfhexe", beantwortete diese die ungestel-lte Frage, "ein komisches Mädel, in ihrer Nähe geschehen seltsame Sachen und sie weiß Dinge, die sonst nur gelehrte Männer kennen. Wenn sie mich fragen hat da der Teufel die Finger im Spiel." Nach dieser Auskunft ging Rowena nachdenklich nach Hause. War ihr ruhiges Dörfchen nur ein Traum? Wieso hatte sie von der Geschichte noch nichts erfahren? Die Marktfrau war mitteilsamer gewesen als ihr lieb war. Das Mädchen wurde scheinbar schon von klein an verachtet und gedemütigt. Rowena verstand nicht, wie sie diese Dinge hatte überhören können. Wollte sie sie nicht hören? Abrupt wurden ihre Gedanken unterbrochen. Ein leises Wimmern kam aus einer dunklen Straßenecke. Zwei dunkle Augen starrten ihr ängstlich entgegen, Blut lief über Stirn und Wangen. Die Kleine setzte an, davon zu laufen, doch Rowena versperrte ihr den Weg. "Du brauchst keine Angst zu haben." Versuchte sie sie zu beruhigen, doch das Mädchen kauerte sich daraufhin schluchzend zusammen. Plötzlich vib-rierte das Amulett. Rowena nahm es vom Hals und legte es der Kleinen in die Hand. Sie schreckte erst zurück und wurde dann ganz ruhig. Nach einer Weile hob sie den Kopf und lächelte Rowena zaghaft an. Rowena nahm sie mit nach Hause und versorgte die Wunden. Nach dem die anfängliche Zurückhaltung verschwunden war, sah sich das Mädchen neugierig im Haus um. Schon bald waren beide in ein Gespräch verwickelt, bei dem sie das Gefühl hatten sich schon ewig zu kennen. Die Kleine hieß Phiona, sie erzählte von ihrem Leben, den Grausamkeiten und Schmerzen. Rowena war entsetzt, wie Menschen einem unschuldigen Kind solche Dinge antun konnte. Sie spürte deutlich das große magische Potenzial in dem Mädchen und ließ sie einige Zaubertricks versuchen, die sofort gelangen. Am späten Nach-mittag brachte Rowena die Kleine schweren Herzens nach Hause. Schon an der Tür wurde Phiona mit Ohrfeigen und Schimpfworten begrüßt. Die Tür schlug man Rowena vor der Nase zu. Besogt ging sie heim. Noch im Bett dachte sie über eine Lösung nach. Welche Möglich-keit gab es, dem Mädchen ein normales Leben zu verschaffen? Wo gab es einen Ort, an dem sie unbeschwert aufwachsen und zaubern lernen konnte? Sosehr Rowena auch überlegte, sie fand keine Antwort. Außerdem konnte sie den Eltern nicht einfach das Kind weg nehmen. Aber konnte man so etwas Eltern nennen? Zwischen den ganzen Fragen schlief Rowena un-ruhig ein.
Im Traum ging sie wieder durch den Wald. Eine unangenehme Spannung lag in der Luft. Plötzlich tauchte der Adler wieder auf. Laut kreischend flog er auf Rowena zu. Im Sturzflug sank er nieder, der scharfe Schnabel blitzte gefährlich. Kurz bevor er sich in ihr Gesicht bohrte schreckte Rowena auf. Kerzengerade saß sie da. Mit einem Ruck sprang sie aus dem Bett, griff ihren Zauberstab und lief zur Tür. Ohne nachzudenken rannte sie zu Phionas Haus. Schon von weitem sah sie die Flammen. Der ganze Himmel glühte blutig rot und schwarze Rauchwolken verschwanden in der Nacht. Mit verzerrten Gesichtern standen die Menschen vorm Haus, auch Phionas Eltern waren unter ihnen. "Hexe verbrenne!" erklang es im Chor. Mit zerzausten Haaren und wehendem Nachthemd stürzte Rowena wie ein Racheengel in die Gruppe. Sie rannte ins Haus. Der Rauch ließ die Augen tränen und nahm ihr die Luft. Das Feuer versengte ihre Haut. Von Husten geschüttelt kämpfte Rowena gegen die Flammen. Verzweifelt rufend lief sie von Raum zu Raum. Plötzlich sah sie etwas Weißes. Leblos lag der kleine Körper vor dem Bett indem er kurz zuvor noch geschlafen hatte. Rowena kniete sich nieder und legte das Ohr auf Phionas Mund. Schwach und unregelmäßig hörte sie den Atem. Erleichtert zog sie die Kleine an sich und schloss sie fest in die Arme. Dann sammelte sie alle magische Kraft und ließ beide Körper apparieren. Ihr einziger Wunsch war ein sicherer Ort. Trotzdem die Leichen nie gefunden wurden, galten die beiden Hexen im Dorf von diesem Tag an als verbrannt.

Der Wald, in welchem Beide schließlich Zuflucht suchten, war fremd. Viel kühler als jener, in dem sie aufgewachsen war. Es gab viele unbekannte Pflanzen und Rowena sah Wesen, von denen sie bisher nur in abenteuerlichen Geschichten gehört hatte. Dennoch war es sicherer, als alles, was sie kannte. Noch nie schien ein Muggel seinen Fuß hinein gesetzt zu haben, sie lebten wie in einer verzauberten Festung. Rowena baute eine kleine Unterkunft. Sie hatten nur das Nötigste zum Leben und doch schien es an nichts zu fehlen. Phiona gewöhnte sich schnell an die neue Umgebung. Sie schien mit jedem Tag mehr aufzublühen und versuchte so schnell wie möglich ihr fehlendes magisches Wissen aufzuholen. Die meiste Zeit verbrachten sie beide mit Lernen und dem Sammeln von Kräutern. Zwischen den Heidelbeersträuchern fand Phiona einen langen silbrigen Faden, den Rowena erfreut als Einhornhaar erkannte. Mit Hilfe von Ebereschenholz fertigte sie einen Zauberstab für Phiona. Die Wochen verstrichen ereignislos, bis Rowena bei einem ihrer Spaziergänge Godric Gryffindor traf. Sie glaubte, einen Adler gesehen zu haben und folgte dem Schatten zwischen den Bäumen, als sie beinahe mit einem fremden Zauberer zusammenstieß. Beide hielten überrascht inne, denn keiner hatte erwartet jemanden in dem einsamen Wald anzutreffen. Nach anfänglicher Verlegenheit entwickelte sich bald ein lebhaftes Gespräch. Godric begleitete Rowena zu ihrer Unterkunft. Auf dem Weg dorthin erzählte er ihr von seiner Idee eine Zauberschule zu gründen. Rowena war begeistert. Eine Zauberschule war genau der Ort, den sie sich immer für Phiona gewünscht hatte. Ohne viele Überlegungen ging sie auf Godrics Angebot ein, sich ihm anzuschließen und zog mit Phiona nach Hogsmeade, einem kleinen Zaubererdorf am Rande des Waldes. Zusammen mit Godrics Freund Salazar Slytherin und einer weiteren Hexe namens Helga Hufflepuff begannen sie den Bau der Schule für Hexerei und Zauberei: Hogwarts.

by sazaria84

[top]