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Die Katze des Hausmeisters

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Mrs. Norris

An jenem nebligen, verhangenen Tag war die Laune von Argus Filch besonders schlecht. Erstens hatte er grundsätzlich schlechte Laune, zweitens hatte er sich in den zugigen Gängen der Schule eine heftige Erkältung eingefangen und drittens hatte Albus Dumbledore ihm gestern durch die Blume mitgeteilt, dass es bei diesem anhaltend feuchten Wetter unumgänglich sei, die Rüstungen zu ölen, auch wenn dies sonst nur zu Weihnachten üblich war. Um sich warm zu halten hatte sich Filch seinen schottenkarierten Schal um den Kopf geschlungen. So schlurfte er an diesem Morgen, ausgerüstet mit "Tante Emmas bestem Schmieröl", Lappen und Bürste, in die Gänge hinaus, um sich seiner verdriesslichen Aufgabe zu widmen. Zuerst mussten die Rüstungen abgestaubt werden. Dann wurden alle Gelenke geölt und zu den unzugänglichen Stellen rückte Filch mit seiner feinen Bürste vor. Die Arbeit war stinklangweilig und wollte kein Ende nehmen. Es gab hunderte von kompliziert aufgebauten Ritterrüstungen im ganzen Schloss. Filch kannte den Standort jeder einzelnen, auch wenn die frechen Dinger es manchmal wagten, ohne Erlaubnis herumzuspazieren oder Peeves sich einen Spasss daraus machte, die eine oder andere von ihnen in Schränken zu verstecken. Aber jede musste früher oder später auf ihren Platz zurückkehren, wenigstens dafür hatte Dumbledore gesorgt. Der Mann war ja sowieso viel zu freundlich mit all dem Gesindel, das im Schloss tun und lassen konnte, was es wollte. Schnaubend und Verwünschungen in seinen Schal murmelnd wartete Filch an einer leeren Ecke, bis der Rücktreibzauber wirkte und die Rüstung von Friedrich dem Schmutzfinken widerwillig an ihren Platz zurückkehrte.
Am schlimmsten waren diejenigen, die kitzlig waren. Adalbert Apfelmus kicherte Blechern, als Filch nur schon den Staublappen hervorholte, und als er schliesslich sein Armgelenk ölen wollte, begann dieser Waschlappen von einem Ritter doch tatsächlich, auf einem Bein herumzuhüpfen und seinen Blecharm unkontrolliert im Kreis zu schwingen. Der eiserne Handschuh löste sich vom Armschutz, flog durch den Gang und landete laut scheppernd in der dunklen Ecke unter einer Wendeltreppe. Fluchend liess sich Filch auf die Knie nieder, um das Ding hervorzuholen – und erstarrte. Unter dieser Treppe war Staub! Staub und Dreck und alte Lappen! Wo er doch letzte Woche den ganzen Stock geschrubbt hatte! Wenn er den Kerl erwischte, der seinen Abfall einfach in irgendwelche Ecken schmiss, dann würde er nicht mehr lange fragen und einfach seine geliebten Folterwerkzeuge wieder hervorholen. Er würde... und dann stutzte Argus Filch.
Aus der Dunkelheit unter der Treppe war ein leiser Laut an sein Ohr gedrungen. Da war es noch einmal. Ein dünnes Fiepen und Wimmern drang aus dem Gewirr von Staubflusen, Stofflappen und zusammengeknülltem Papier. Vorsichtig kroch Filch ein bisschen weiter unter die Treppe. Und dann sah er es.
Mitten zwischen dem vermeintlichen Unrat lag ein kleines, graues etwas, sperrte sein rosa Mäulchen auf und gab die kläglichsten Töne von sich, die er je gehört hatte.
"Man sollte diese Viecher allesamt ertränken!" brummte Filch in seinen Schal hinein. Aber nach einem schnellen Blick auf beide Seiten des menschenleeren Korridors streckte er seinen knorrigen Zeigefinger aus und kraulte das Katzenkind am Bauch.
Mrs. Norris Nachdem er das Kätzchen, das die Wärme seiner Hand zu geniessen schien, eine Weile gestreichelt hatte, machte sich Filch wieder an seine Arbeit. Aber er konnte es immer so enrichten, dass er wieder an der Wendeltreppe vorbeimusste, und kurz nachschauen konnte, ob denn die Mutter des Kleinen nicht schon zurückgekommen war.
Als schliesslich am Abend das kleine Kätzchen immer noch einsam und mitleiderregend fiepend unter der Treppe lag, fasste Filch einen Entschluss. Noch einmal prüfte er, ob die Luft rein war, dann hob er das Tierchen sanft hoch (es hätte zweimal in seine hohle Hand gepasst) und wickelte es in seinen warmen Schal ein.
Wie ein Dieb um alle Ecken spähend schlich er zurück in sein Büro, Öl, Bürste und Lappen einsam und vergessen im zweiten Stock zurücklassend.
In den Tagen, die nun folgten, bemerkten selbst die Schüler, dass Argus Filch seine Aufgaben nicht ernst zu nehmen schien. Auf den Fenstersimsen sammelte sich Staub an. Die Schüler konnten in den Gängen Ball spielen, ohne dass Filch es überhaupt zu bemerken schien. Wenn er jemanden bestrafte, hatte er es längst wieder vergessen, wenn man zum Strafdienst antreten wollte. Und ständig schaute er auf die Uhr.
Jede volle Stunde eilte Argus Filch in sein Büro, holte aus einem heissen Wasserbad über dem Kaminfeuer eine Puppensaugflasche mit warmer Ziegenmilch und liess sich dann auf den Boden vor dem Kamin nieder, wo das Katzenbaby, in seinen Schal gekuschelt und erwartungsvoll miauend, schon wartete.
Ein Lauscher an der Türe hätte sich wohl verwundert gefragt, wer denn da in Filchs Büro sprach. Denn diese sanfte, leise Stimme, die immerfort beruhigende Worte zu murmeln schien, konnte ja wohl nciht dem ruppigen, griesgrämigen Hausmeister gehören. Doch genau so war es. Filch erzählte dem kleinen Kätzchen, das auf seinen Knien eifrig am Fläschchen nuckelte, alles von seinen täglichen Sorgen, von den Schmutzfinken und frechen Schülern im Schloss und von seinem ewigen Kampf gegen den Guhl im Dachstock, der sich einfach nicht vertreiben liess. Filch sprach sogar davon, dass er nicht zaubern konnte, und wie sehr er sich wünschte, ein echter Zauberer zu sein.
Das Kätzchen schwieg, aber ab und zu öffnete es seine gelben Augen mit den geschlitzten Pupillen und sah ihn an und Filch war sich sicher, dass es jedes Wort verstand.

by yaga

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