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Professor Gilderoy Lockhart

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Missglücktes Interview

Blitzlichtgewitter blendete ihn. Ohne sich davon irritieren zu lassen, strahlte er sein strahlendes "Wie-angenehm-von-euch-bewundert-zu-werden-Lächeln", welches ihn schon dreimal zum Gewinner des "Charmantestes-Lächeln-Preises" der Hexenwoche gemacht hatte, und welches einen Profi eben auszeichnet. Er sonnte sich in den verklärten Blicken der zahlreichen Hexen, die sicherlich nur seinetwegen zur Verleihung des goldenen Besenstiels nach London gekommen waren. Hier wurden einmal jährlich die angesagtesten Leute der Zaubererwelt geehrt, und endlich war es auch ihm gelungen, eine der begehrten Trophäen zu ergattern. Er begann mit seiner Rede, auf der Bühne vor einem Meer aus Zuschauern, die ihm nun alle gebannt zuhörten:
"Ich bin stolz darauf, heute diesen Preis entgegennehmen zu dürfen, natürlich habe ich hart dafür gearbeitet, und ihn mir somit redlich verdient. Ich möchte Euch, meinen Fans, dafür danken, dass ihr meine Fans seid. Ich wäre es auch, wenn ich nicht ich wäre." Er lachte kurz selbstverliebt auf. "Vielen Dank!"

Professor Lockhart Es war genauso, wie er es gesagt hatte. So wartete schon kurz nach der Preisverleihung wieder äußerst anstrengende Arbeit auf ihn, die zudem durchaus nicht ungefährlich war. Schließlich schrieben sich seine wunderbaren Bücher nicht von alleine, und so war er nur zwei Wochen später auf dem Weg nach Griechenland, um Material für sein neuestes Werk zu sammeln. Selbstverständlich legte er sich nicht selbst mit den gefährlichen Bestien an, wie er es in seinen Büchern darstellte, nein, er interviewte nur Menschen, die Großes im Kampf gegen unberechenbare magische Tierwesen vollbracht hatten. Die erhaltenen Informationen formulierte er dann üblicherweise zu einem Roman aus und veränderte den Inhalt geringfügig, indem er sich selbst zum Helden der Geschichte machte und das Ganze noch ein klein wenig ausschmückte - publikumswirksam eben. Dabei ging er aus verständlichen Gründen nie unter seinem eigenen Namen vor, denn Vorsicht war bekanntlich die Mutter des Giftschrankes.
Er hatte sich sogar schon den Titel für das Buch überlegt, das er nach seinem Aufenthalt in Griechenland zu schreiben gedachte: "Massaker mit einem Mantikor" sollte es heißen. Denn in einem kleinen Dorf, wie er in einem Zeitungsartikel aus dem Tagespropheten von vor 50 Jahren erfahren hatte, wurde ein Mantikor gesichtet, der im Laufe der Zeit drei Menschen umgebracht hatte. Gilderoy konnte den damals noch jugendlichen Zauberer ausfindig machen, dem es gelungen war, den Mantikor schließlich zu besiegen und für immer unschädlich zu machen. Auf eine Antwort auf seinen Brief hatte er mehrere Monate lang warten müssen, was vielleicht daran liegen mochte, dass ein merkwürdiger, kleiner, farbenfroher Vogel den Brief überbracht hatte. Offenbar hatten sich Eulen dort noch nicht als Fachkräfte für die Postzustellung durchgesetzt. Aber nun war alles geregelt und in Kürze würde er den Mann treffen. Gilderoy hoffte nur, dass der Kerl trotz seines inzwischen hohen Alters noch bei Verstand war und sich an die Geschehnisse von damals erinnern konnte.

Er hatte Glück, der Mann stellte sich als überraschend rüstig heraus, obwohl Gilderoy ihn auf Mitte bis Ende siebzig schätzte. Andererseits hieß das natürlich, dass er vorsichtig agieren musste, damit seine übliche Taktik aufging. Aber im Grunde war Gilderoy zuversichtlich, bisher war noch jeder seiner Informanten seinem hervorragenden Amnesia-Zauber erlegen.
Nun also saß er dem alten Mann, der ihnen beiden gerade Wein einschenkte, an einem Tisch in einer schäbigen kleinen Hütte gegenüber, die nur aus zwei Zimmern bestand. Währenddessen breitete er selbst Pergament und eine selbstschreibende Feder vor sich aus.
Dann begann er seine Fragen zu stellen: wo der Mantikor zuerst aufgetaucht war, wer ihn gesehen hatte, wie lange er schon sein Unwesen trieb und wie es zu den Todesopfern gekommen war; währenddessen schrieb die Feder emsig all die Antworten nieder. Auf die wichtigste Frage hin, nämlich nach der, wie es dem alten Mann schließlich gelungen war, dem Mantikor den Garaus zu machen, war Gilderoy ehrlich beeindruckt. Sein Informant hatte eine raffinierte Falle gebaut, einen Raum, der schrumpfte, sobald er vollends von einer Gestalt betreten wurde. Die Falle war gut getarnt und der Köder aus frischem Fleisch in ihrem Inneren tat sein Übriges, damit der Mantikor den Raum ohne Argwohn betrat. Wie erwartet, begann der Raum sofort zu schrumpfen, bis er nach wenigen Sekunden die Größe eines Würfels erreicht hatte, und in diesem Zustand blieb er dann auch. Der Alte hatte den Würfel seitdem auf der Anrichte über seinem Kamin aufbewahrt. Das Einzige, was gelegentlich noch an den Mantikor erinnerte, war ein gedämpfter unverständlicher Schrei aus der Richtung der Feuerstelle. Gilderoy hatte genug gehört, nun wurde es Zeit für den nächsten Teil seines Besuchs. Er dankte dem Mann lächelnd für seine Schilderung, zog seinen Zauberstab und wollte schon auf sein Gegenüber zielen. Aber er hatte nicht im Geringsten mit der erstaunlichen Schnelligkeit des alten Mannes gerechnet, der seinerseits einen Zauberstab in der Hand hielt, zu allem Übel auf Gilderoy gerichtet.
"Was auch immer Sie vorhatten, Sie hätten es besser bleiben lassen sollen, nachdem Sie doch gerade gehört haben, dass mit mir nicht zu spaßen ist. Nun müssen sie die Folgen für Ihr Handeln tragen." Silbrigblaues Licht schoss aus der Spitze des Zauberstabes, raste direkt auf Gilderoys Brust zu, traf ihn hart. Sofort spürte er, wie sich sein Rücken schmerzvoll zu einem Buckel verformte, seine Nase verzog sich unter Qualen zu einem hässlichen Zinken und an seinem Kinn fühlte er eine Warze sprießen. Mit ungläubigem Schrecken stelle Gilderoy die Veränderungen an sich fest, nicht Willens es zu glauben. Mit schreckensgeweiteten Augen starrte er den alten Mann fassungslos an, zu geschockt, um auch nur ein Wort hervorzubringen.
"Und nun raus aus meinem Haus! Viel Vergnügen auf der Rückreise."
Panik ergriff Gilderoy angesichts der Vorstellung, dass ihn Leute in dieser Gestalt erkennen würden. Mit einem letzten glasigen Blick auf den Mann, dem er seinen Zustand zu verdanken hatte, sprang er auf die Beine, wobei sein Stuhl polternd umkippte, und stürzte aus dem Haus, ohne auch nur Feder und Pergament wieder an sich genommen zu haben.

Nur ein Gedanke beseelte ihn auf der Rückreise, nämlich dass er um jeden Preis einen Heiler auftreiben müsse, der in der Lage war, ihn wieder in seine frühere, wundervolle Gestalt zurückzuversetzen. Und das, bevor ihn zufällig irgendein Fan zu Gesicht bekam, wodurch seine ganze Karriere in Gefahr geraten würde. Und dass er einem begegnen würde, war ja nicht unwahrscheinlich, bei den unzähligen Fans, die er hatte...

by Akropolis

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