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Professor Minerva McGonagall

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Der verhexte Zauberstab

Minerva liebte das Fach Muggelkunde und die Quidditchstunden. Die Flugstunden liebte sie, seitdem sie an einem Wochenende für sich alleine in den frühen Morgenstunden auf dem Feld geübt hatte. Nun war sie begeistert bei der Sache und gehörte jetzt schon zu den Besten ihres Jahrganges.
Dafür hasste sie die Fächer Verwandlung und Zauberkunst. Die Stunden Zaubergeschichte waren dagegen richtig aufregend! Wütend blickte das Mädchen auf die Liste der Zusatzaufgaben, die sie bis zum Ende des Monats erledigen sollte. Das war einfach nicht fair! Irgendwie bekam sie den Dreh mit ihrem Zauberstab nicht heraus. Die Theorie war kein Problem für die intelligente Schülerin. Sobald es jedoch an die Praxis ging, versagte ihr Geschick. Minervas Zauberstab aus Mahagoni ließ meistens nur ein paar müde Funken regnen oder man hörte ein böses Knurren, bei dem alle Anwesenden zusammenzuckten. Minerva wusste sich keinen Rat mehr. Sie hatte sich Lektüre über Zauberstäbe aus der Bibliothek geholt; sie hatte einige Klassenkameraden, einen Vertrauensschüler und Mr. Flitwick nach ihrem nicht funktionierenden Zauberstab gefragt. Doch irgendwie hatte Minerva das Gefühl, dass noch keine befriedigende Antwort dabei war. Prof. Flitwick schaffte scheinbar mühelos die Zauberkunststücke mit ihrem Zauberstab. Ihre Klassenkameraden machten dagegen mit ihrem Zauberstab den gleichen Fehler wie sie. Deshalb schickte Minerva nach einer weiteren frustrierenden Woche eine schöne Schleiereule der Schule mit einem Hilferuf zu ihren Eltern. Die wussten bestimmt Rat! Nein, nicht bestimmt: Bis jetzt hatten sie ihr immer helfen können.
Das Warten begann! Ihre Eltern waren nämlich nach Italien gefahren, um einen richtigen Muggelurlaub zu machen. Ihre Mutter bestand auf regelmäßigen Kontakt mit der nichtmagischen Welt. In den zwei Wochen des Urlaubs durfte nicht gehext und nicht gezaubert werden. Minerva hatte es zutiefst bedauert, zum ersten Mal nicht mitfahren zu können. Aber die Schule ging nun einmal vor. Selbst wenn man fast nichts dabei lernte!
Die nächsten zwei Wochen gingen für Minerva genauso trübsinnig weiter, wie die letzte Woche aufgehört hatte. Es hagelte Zusatzaufgaben, Verweise und beschämenderweise auch Punktabzüge. Die Schule machte langsam wirklich keinen Spaß mehr.
Endlich kam die lang erwartete Eule! Sie schwebte eines Morgens mit einem mittelgroßen Paket auf den Gryffindortisch zu. Bei der Landung fegte die Schleiereule mehrere Trinkbecher und ein paar Teller vom Tisch, bis sie endlich vor Minerva zum Stehen kam. Das brachte ihr ein paar bitterböse Blicke der anderen Gryffindors ein, aber das Mädchen beachtete sie nicht. Ungeduldig löste Minerva die Schnur; die Eule flog davon Augenblicklich zog sich Minerva in den Gemeinschaftsraum zurück. Ihr kam es wie Weihnachten und Ostern an einem Tag zugleich vor: Nicht nur ihr Problem wurde gelöst, sondern sie bekam auch noch einige liebevoll zusammengesuchte Geschenke von ihren Eltern. In dem Paket befanden sich viele italienische Kräuter und Heilmittel. Sie stockten Minervas Zaubertrankzutaten enorm auf. Zudem lag ein roter selbst gestrickter und langer Schal in dem Paket. Den Schal, das wusste Minerva, hatte ihr Vater gestrickt.
Ein langer Brief beschrieb die Ferien der Eltern. Im letzten Absatz ging es endlich um den gestörten Zauberstab Minervas. Eine Erklärung hatten Vater und Mutter eigentlich nicht geschrieben, nur die Ankündigung, dass dieser Zustand bald behoben sein würde. Der Handschrift des Vaters sah man an, dass er sich über irgendetwas diebisch freute, während die Handschrift der Mutter eher unterdrückten Ärger ausdrückte.
Weiter ging es mit der Ankündigung, dass sie schon bald nach Hogwarts kommen würden.
Minerva freute sich sehr über den Besuch, wunderte sich aber doch, dass nicht mehr Informationen von ihren Eltern gekommen waren. Minerva dachte, dass ihre Eltern spätestens in einer Woche nach Hogwarts kommen würden. Um sich nicht ganz so alleine zu fühlen, wickelte sie sich den Schal um den Hals. Der Umhang, den Minerva schon trug, verdeckte ihn zum größten Teil. Doch so ging wenigstens nichts von dem Duft des Schals verloren. Minerva sog diesen Geruch tief ein - da der Schal neben den Kräutern gelegen hatte, roch er geheimnisvoll und nach Freiheit.
An diesem Vormittag hatte die Schulklasse Kräuterkunde. Das Auspacken des Päckchens hatte mehr Zeit in Anspruch genommen als Minerva gedacht hatte. Das Mädchen musste sich beeilen, wenn sie nicht zu spät kommen wollte. Sie kam gerade noch rechtzeitig. Schnell stellte sie sich neben Steven und blickte erwartungsvoll zur Tafel. Dort erschienen gerade diverse Düngungsmittel, die Vor- und Nachteile und die besten Anwendungsgebiete. Die Klasse schrieb eifrig mit: Drachenmist... Doxy ... ordinärer Pferdemist.... Schlamm vom Grund des Sees von Hogwarts... usw. Am Ende der Stunde tat allen Schülern die Hand weh. Sie hatten wirklich viel schreiben müssen. Glücklich schwatzend verließ die Klasse beim Klingeln der Schulglocke das Gewächshaus. Gerade als Steven und Minerva die Eingangshalle betraten, um in die Große Halle zum Mittagessen zu gehen, wurden sie von Prof. Dippet aufgehalten: "Miss McGonagall, würden Sie mich bitte begleiten. Ich habe eine Überraschung für Sie!" Minerva rutschte das Herz in die Hose. Hatte der Schulleiter von ihren schlechten Noten erfahren? Was wollte der Prof. wohl von ihr? Sie konnte nur nicken und folgte dem Schulleiter schweigend den Gang herunter. Es ging an den großen Türen der Großen Halle vorbei in einen schmalen Gang. Hier war Minerva noch nie gewesen. Prof. Dippet öffnete eine dunkle, sehr alte und relativ kleine Holztür und gab den Weg für die Schülerin frei. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf betrat Minerva den Raum. Sie hörte keinen menschlichen Laut, nur ein Feuer prasselte im Hintergrund. Da hob die Erstklässlerin den Kopf und betrachtete den Raum. Es war ein überraschend großes Zimmer, dessen Fenster auf den See blickten. Der Kamin bestand aus rot geädertem Marmor. Weiter enthielt das Zimmer eine fantastische Sitzgruppe mit einem verhältnismäßig großen Tisch. Auf dem Tisch standen drei Gedecke, eine Kuchenplatte und eine riesige Teekanne. Im Hintergrund konnte man den prächtigen Stoff eines riesigen Himmelbettes erkennen. Auf der anderen Seite stand ein gut gefülltes Bücherregal und ein Spieltisch lud zum Verweilen ein. Anscheinend war dieser Raum ein luxuriöses Gästezimmer. Langsam ging Minerva auf den prachtvoll gedeckten Tisch zu und starrte gedankenverloren ins Leere. Warum war sie hier? Wer würde gleich kommen? Was hatte sie angestellt? Für wen war das Essen?
Die Tür öffnete sich und Sekunden später hatten ihre Eltern sie fest umarmt und geherzt.
"Endlich sehen wir dich mal in deiner Schuluniform!" "Hallo, mein Schatz, mit uns hast du nach deinem Gesichtsausdruck ja gar nicht gerechnet!" "Wie seid ihr so schnell hier her gekommen?" Fragen und Sätze schwirrten durch den Raum. Endlich saßen alle drei um den Tisch herum und genossen den Kuchen und den ausgezeichneten Tee. Minerva erzählte von ihrem Schulalltag, wollte ihren Eltern unbedingt Steven vorstellen und wäre ihnen am liebsten noch einmal um den Hals gefallen.
Ihre Eltern erzählten noch ein bisschen vom Urlaub und den Erlebnissen ihrer Reise.
Endlich wollte Minerva wissen, warum Prof. Dippet über den Besuch gar nicht überrascht gewesen war und wie die Lösung für ihr Zauberstabproblem aussehen sollte.
Professor McGonagall "Wir haben natürlich sofort nach deinem Brief eine Eule an Prof. Dippet geschrieben und unser Kommen angekündigt." Ihre Mutter sah schon wieder missmutig aus, während der Vater lächelte: "An deinem Zauberstabproblem ist deine Mutter Schuld. Sie macht sich schon seit zwei Wochen die bittersten Vorwürfe. Leider haben wir es nicht eher hierhin geschafft."
Auf den fragenden Blick der Tochter fuhr der Vater fort: "Wie du weißt, haben du und deine Mutter beide einen Zauberstab aus Mahagoni. Beide sind zudem auch noch gleich groß. Nur, dass der Kern deiner Mutter aus einem Haar einer Odermenningelfe stammt, während dein Kern aus Drachenleder besteht." Verständnislos blickte Minerva ihre Eltern an. "Ja, das weiß ich, aber was hat das mit meinem Problem zu tun?" Diesmal antwortete ihre Mutter. "Deinen Zauberstab hast du dir zwar persönlich ausgesucht, doch ausgepackt hast du ihn ja erst in Hogwarts. Beim Einpacken unserer Sachen habe ich leider unsere Stäbe vertauscht. In unserem Urlaub habe ich keinen Zauberstab gebraucht und du hattest deinen nur einmal gesehen. So ist uns nicht aufgefallen, dass wir beide den falschen Zauberstab besaßen. Zudem ist es für jeden Erwachsenen kein Problem, mit einem anderen Zauberstab zu zaubern. Nur Anfänger - und du bist leider einer - haben Schwierigkeiten bei schon einfachsten Übungen. Schwierigere Zaubersprüche sind erst gar nicht möglich. Minerva, es tut mir sehr leid, dass ich dir mit dieser Verwechslung so viel Kummer gemacht habe. Beim nächsten Mal werde ich besser aufpassen." Erwartungsvoll blickte ihre Mutter sie an. Nahm die Tochter die Entschuldigung an? "Nein, es ist schon gut. Hauptsache, ich bekomme meinen Zauberstab und kann dir deinen zurückgeben." Minerva zog bei diesen Worten den Zauberstab der Mutter aus ihrer Manteltasche und gab ihn ihr zurück. Die hatte in der Zwischenzeit Minervas Zauberstab aus ihrer Handtasche hervorgekramt. Gerade als sie ihn ihrer Tochter überreichen wollte, mischte sich Minervas Vater ein. "Ich habe hier etwas, was dafür sorgen wird, dass ihr eure Zauberstäbe nie wieder vertauschen werdet!"
Er zog einen schmalen, silbernen Reif aus der Tasche und befestigte ihn am Griff von Minervas Zauberstab. "So, damit kommt es nie wieder zu einer Verwechslung! Jetzt will ich aber sehen, was du hier schon gelernt hast!"
Augenzwinkernd blickte er seine Tochter an, die plötzlich niedergeschlagen wirkte. "Du brauchst keine Angst zu haben. Jetzt hast du ja deinen Zauberstab und fang mit etwas Leichtem an. Es wird schon klappen", munterte die Mutter Minerva auf. Sie schien genau zu wissen, wie sich das Mädchen gerade fühlte. "Wingardium Leviosa". Dabei stupste Minerva die Kuchengabel an; sie schwebte tatsächlich. Das war ihr bis dahin noch nie geglückt!
Nie wieder hatte Minerva seit diesem Zeitpunkt Schwierigkeiten mit irgendeinem Zauberstab!

Den Rest des Tages zeigte Minerva den Eltern das Gelände von Hogwarts. (Ihre Eltern kannten es natürlich schon aus ihrer Schulzeit, trotzdem ließen sie sich von der Begeisterung der Tochter anstecken!) Minerva stellte ihren Eltern Steven vor, zusammen gingen sie am See spazieren. Sie lachten und redeten. Viel zu schnell war der Tag vorbei. (Prof. Dippet hatte ihr für den Rest des Tages eine Befreiung vom Unterricht gegeben. Dafür war Minerva ihm sehr dankbar.) Gegen Abend wollten ihre Eltern mit dem Fahrenden Ritter zuerst nach London und von da weiter nach Hause reisen. Deshalb brachte Minerva sie rechtzeitig bis zum Schulportal. Sie umarmte ihre Eltern ein letztes Mal und sah ihnen beim Einsteigen in den Bus zu. Ein Winken war nicht möglich; der Fahrende Ritter war zu schnell weg.
In Gedanken versunken ging Minerva langsam den Weg zum Schloss hoch. Sie hatte heute Abend keine Lust auf den Trubel in der Großen Halle. Deshalb stieg das Mädchen sofort hoch in den Gryffindorturm und zog sich in ihr Bett zurück, wo sie selig einschlief.

by Hexenkessel

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