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Professor Alastor Moody

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Auge um Auge

Aus den diversen Kneipen und Restaurants in der grossen, von Leuchtreklamen erhellten Strasse drang ausgelassene Musik. Einige Muggel mit roter Nase schunkelten im Vorbeigehen, andere versuchten, einen Stehplatz in einer der überfüllten Bars zu bekommen.
Aber von dieser fröhlichen Feierabendatmosphäre war schon drei Schritte von der Pavlovian-Street entfernt nicht das Geringste mehr zu spüren. Die schmalen Gässchen, die an die grossen Strassen des Vergnügungsviertels angrenzten, waren dunkel, manchmal vollgestellt mit allerlei Gerümpel und beklemmend still, obwohl der fröhliche Lärm aus den Lokalen schwach herüberdrang.
Seltsam, dachte sich Alastor Moody, dass das Leben immer dort stattfindet, wo man es am wenigsten vermuten würde.
Er selbst war davon überzeugt, jeden Moment, den er in dieser Nacht hinter dieser grossen, nach Fisch stinkenden Holzkiste verbracht hatte, mehr gelebt zu haben, als alle diese seltsamen Muggel zusammengenommen.
Wie immer, wenn er sich einer Gefahr bewusst war, genoss er das Gefühl der verschärften Sinne, das ihn plötzlich überkam. Er fühlte jede Falte des unsichtbar machenden Umhangs, die sich in seinen Arm- und Kniebeugen bildete. Er roch nicht nur die alten Makrelen, die die Kiste enthalten hatte, sondern er hatte das Gefühl, auch den Geruch einer streunenden Katze zu seiner Rechten wahrzunehmen, leichten Tabakrauch und der süsslich-saure Alkoholdunst, die aus der Pavlovian-Street herüberzogen. Sein Puls schien die Sekunden einer ungekannten Zeit zu schlagen und das leiseste Geräusch liess seinen Körper sich anspannen, bereit zum Sprung. Ob es der Sprung auf den Feind, ein Angriff, oder der Sprung in die Sicherheit, Flucht, sein würde, das konnte er nicht genau sagen. Aber er vertraute darauf, dass er es schnell genug entscheiden konnte. Wenn nicht, so sagte er sich trocken, wäre es seine letzte Entscheidung gewesen.
Er konnte von sich nicht sagen, dass er der Wahrheit nicht ins Auge sehen würde. Er wusste, mit wem er es zu tun hatte. Er hatte es oft genug schmerzlich erfahren müssen. Wie von selbst tastete seine linke Hand nach dem grossen Loch, dass seit einigen Jahren seine Nase verunstaltete. Er hatte erfahren müssen, dass -in Verbindung mit einem geschickten Schlag- auch ein durch "Lumos" entflammter Zauberstab in den Händen eines verzweifelten Todessers noch zu einer Waffe werden konnte.
Es hatte ihn nie gestört, für seine Arbeit und seine Erfolge bezahlen zu müssen. So war das eben, auch das Leben war nur ein Geschäft. Deins gegen Meins. Oder umgekehrt. Er konnte ein leises Schnauben nicht unterdrücken. Wen interessierte schon ein hübsches Gesicht, wenn es um etwas viel grösseres, länger dauerndes ging? Nicht Alastor Moody, den berühmtesten und berüchtigsten aller Auroren.
Mit diesem grimmigen Gedanken wandte er sein Aufmerksamkeit erneut auf den vor ihn liegenden Eingang der Gasse, der im Licht der grossen Strasse gut erkennbar war.
Geduld, nur Geduld half hier. Er fühlte das Stundenglas in seiner Umhangtasche ticken, aber er brauchte es nicht hervorzunehmen, um zu weissen, dass er seit mindestens vier Stunden reglos in dieser feuchten Ecke kauerte, mit Makrelengeruch in der Nase.
Aber der Tip war bombensicher gewesen. Er würde die alte Schlange endlich erwischen. Er würde mit ihr abrechnen. Er würde ihr zeigen, was es hiess, Alastor Moody zweimal an der Nase herumzuführen.
Fussgetrappel ertönte. Eine Gruppe schwankender Muggel passierte den Gasseneingang. Aber Moodys Augen hatten sich schon genug an den Wechsel von grellem zu Dämmerlicht gewöhnt, so dass er bemerkte, dass einer der Nachzügler sich aus der Gruppe löste und sich an der Ecke zur Nebengasse an eine Hausmauer drückte. Das Profil der Gestalt hob sich deutlich gegen den hellen Hintergrund der Pavlovian-Street ab, und Moody erkannte die bekannten, eingefallenen Wangen, die Himmelfahrtsnase und das seltsam runde Kinn. Zweimal hatte er sie noch von weitem gesehen, hunderte und aberhunderte von Malen hatte er die Fahndungsbilder studiert.
Er fasste den Zauberstab in seiner rechten Hand fester.Professor Moody Die Gestalt an der Hausmauer hatte eine Hand unter den Muggelpullover gesteckt, die andere tastet die Hauswand ab, als sie sich langsam, immer noch an die Mauer gepresst, weiter in die Gasse vorwagte.
Tja, was sie zu finden hoffte, würde sie hier nicht finden. Keinen Todesser, der sie mit neuen Aufträgen versorgte.
"Bloss mich" wisperte Alastor Moody. "Nur du und ich."
Als sie genau auf seiner Höhe die andere Seite der Gasse passierte, warf der den Unsichtbarkeitsumhang weg und richtete sich zu seiner vollen Grösse auf.
Die Gestalt drehte sich um, im schwachen Licht konnte er ihre Miene nicht erkennen, aber er riet, dass sie Überraschung und Freude zeigte.
"Ihr seid spät, Rosalie!"
Beim Klang seiner Stimme schrak die Todesserin zurück wie eine Katze, der man auf die Pfote getreten ist.
Moody war geistesgegenwärtig genug, um ihrem Schockzauber, den sie in der Überraschung zustande gebracht hatte, auszuweichen. Er duckte sich lässig unter den gleissenden Lichtstrahl, der die Wand hinter ihm traf, und hatte fast im selben Augenblick schon eine Ganzkörperklammer bereit. Aber Rosalie Sheperd konnte im duellieren schwerlich ungeübt genannt werden. Bevor sie ihren ersten Zauber vollendet hatte, war sie auch schon mit einem leisen, wütenden Knurren beiseite gesprungen, um ihm auszuweichen, und wohl auch, um bei Gelegenheit im Dunkel der hinteren Gasse zu verschwinden. Sie schickte noch einen Schockzauber nach hinten, aber Moodys schwarzer Blitz liess den gepflasterten Boden unter ihr erbeben, sie strauchelte und rettete sich mit einem Satz hinter ein mannshohes Fass, an dem sein eigener Schockzauber abprallte. Er wich dem zurückzischenden Fluch aus, aber in diesem Moment schleuderte Rosalie hinter dem Fass einen Hagel kleiner Feuerkugeln hervor. Immer noch in Bewegung, weil er sich vor seinem eigenen Zauber in Sicherheit bringen musste, hob Moody den Zauberstab, um einen Schutzschild zu beschwören, im selben Moment spürte er einen seltsamen Druck auf seinem linken Auge. Während er zu Boden fiel und sich reflexartig zu einer Kugel zusammenrollte, fragte er sich immer noch, was dieser seltsame Schmerz in seinem Auge bedeutete, dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
Er hörte neben sich das Aufsetzen eines Fusspaares und einen triumphierenden Laut, ein knistern, wie wenn ein eingezauberter Zauberstab geschwungen wird, dann noch mehr Fussgetrappel und eine laute Stimme.
"Halt! Zauberstab weg oder wir schocken sie!"
Stille, dann ein Klackern, dünnes Holz auf Pflastersteinen, Stimmengewirr.
"Haltet sie fest."
"Schockt sie trotzdem!"
"Gebt ihr die Klammer."
"Oh mein Gott! Moody!"
Aber was war das für ein Schmerz? War das sein Auge, das da schmerzte? Er spürte, wie ihn jemand unter dem Arm fasste und hochzog, schliesslich hörte er James Potters Stimme neben seinem Ohr: "Er lebt..."
Irgendwie klang Entsetzen in seinem Ton.
"Moody..." setzte James an. "Du solltest jetzt besser nicht die Augen auftun..."

by Yaga

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