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Ratten

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Ratten

Jahrtausende lang galten Ratten als Überträger von gefährlichen Krankheiten und wurden wie Ungeziefer, vorwiegend mit Gift, bekämpft.
Wer sich jedoch näher mit Ratten beschäftigt wird feststellen, dass sie sehr intelligente, anpassungsfähige und liebenswerte Tiere sind.

Ratten und Mäuse:

Sowohl die Hausratte (Rattus rattus) wie auch die Wanderratte (Rattus norvegicus) gehören zu der Familie der echten Mäuse (Murinae). Ratten unterscheiden sich durch ihre Größe, Intelligenz und im Verhältnis kleineren Ohren von ihren kleineren Verwandten.

Herkunft:

Die Vorfahren der hier heimischen Ratten, die wir als Heimtiere halten, sind Wanderratten, die vor rund 200 Jahren aus Ostasien (China) nach Europa kamen und von dort aus mit Schifen in die ganze Welt gebracht wurden. Die Hausratten allerdings wanderten wohl schon in vorgeschichtlicher Zeit in Europa ein.

Daten:

HausratteWanderratte
Körperlänge16-24 cm21-28 cm
Schwanzlänge18-25 cm17-23 cm
Tragzeit21-23 Tage24 Tage
Wurfstärke5-7 Junge5-7 Junge
Ohrengroße,dünne fast nackte Ohrenkleine, runde behaarte Ohren
Augengroße Augenkleine Augen

Lebenserwartung:

Eine Farbratte wie wir sie als Haustier halten wird höchstens zwei bis drei Jahre alt. Wilde Ratten können bis zu sieben Jahre alt werden. Das liegt daran, dass unsere Heimratten von Laborratten abstammen, die extra auf Krebsanfälligkeit hingezüchtet wurden. Vereinzelt haben Rattenzüchter wilde Ratten in die Zucht einbezogen um die Lebenserwartung der Nachkommen zu erhöhen.

Mondkraut und Rosenkranz

Der Wald war dunkel. Vor ihr kein Geräusch ausser dem üblichen Knacken und Knirschen der Zweige im Wind. Hinter sich hörte Priscilla die lärmende Meute durch das Unterholz brechen.
"O heiliger Gott im Himmel! Lass sie mich nicht erwischen! Lass mich entkommen! Jungfrau Maria, all ihr Heiligen, beschützt mich!" Solch leise Stossgebete vor sich hin murmelnd rannte sie in Panik durch den nächtlichen Wald. Sie hörte Hundegebell, und obwohl sie glaubte, ihre Lunge müsse bersten, beschleunigte sie ihr Tempo noch. Oh wenn sie bloss entkommen könnte! Sie hatte niemandem etwas getan! Nie hatte sie jemandem Böses gewünscht. War es denn ihre Schuld, dass solche Dinge passierten?
Heisse Wut kochte in ihr hoch und gab ihren Beinen die Kraft, weiter zu rennen. Trotzdem wurde das Gebrüll der aufgebrachten Dorfbewohner hinter ihr nicht leiser. "Verbrennt sie! Verbrennt die Hexe!" riefen sie im Chor. Priscilla wusste, dass sie Heugabeln hatten, Sensen, Stricke und Messer. Ihre einzige Chance war es, so schnell zu laufen wie noch nie in ihrem Leben.
Tränen der Verzweiflung rannen über ihr Wangen. Warum gerade sie? Warum zerstörten sie ihr Leben? War sie nicht schon genug bestraft? War ein Leben ohne Vater im Haus in diesen Zeiten nicht schwer genug? Die bittere Erkenntnis, dass gerade dieses Unglück das heutige heraufbeschworen hatte, liess ihre Tränen nur noch heftiger fliessen. Und dann geschah es.
Geblendet vom salzigen Wasser in ihren Augen, vor Erschöpfung nicht mehr auf ihren Weg achtend, war sie in eine Delle im Boden getreten. Sie glaubte deutlich, ein trockenes Knacken zu hören, dann spürte sie, wie sie auf mit altem Laub bedeckte Erde aufschlug und das Einzige, an das sie noch denken konnte, war: Bitte, lasst mich hier sterben, im Wald. Alles ist besser als der Scheiterhaufen!

Als Priscilla schliesslich ihre Augen öffnete, war der Morgen über dem stillen Wald aufgezogen. Jeder Zentimeter ihres Körpers schmerzte sie, aber nachdem sie sich eine Weile bedacht hatte, stellte sich heraus, dass ihr Fussgelenk höllisch weh tat und ihr Magen schrecklich knurrte. Alles andere schien vernachlässigbar.
Der Himmel hatte sie gerettet. Erstaunt blickte sie um sich und sah, dass ihr Sturz geradewegs über einen steilen Abhang und in einen engen Hohlweg geführt hatte, auf dessen Grund ein schmaler Bach floss. Zu beiden Seiten des Hohlweges lagen steile, überhängende Böschungen, die sie im Dunkel der vergangenen Nacht wohl verborgen hatten.
Priscilla setzte sich mühsam auf und zog einen kleinen Lederbeutel von ihrem Gürtel, entnahm ihm eine Handvoll getrockneter Kräuter. Dann beschmierte sie den angeschwollenen Knöchel mit Spucke, legte die Kräuter darauf und band ein Taschentuch darüber. Gerade, als sie anfing sich zu fragen, wie sie jetzt etwas zu Essen bekommen könnte, hörte sie im Laub neben sich etwas rascheln und ein leises, nur allzu vertrautes Fiepen.
Unwillkürlich zuckte ihre Hand zum Rosenkranz, der an ihrem Gürtel hing. "Nein!" Flüsterte sie. "Geh weg!" Aber es ging nicht weg. die Ratte Es sass nur da, im Laub zu ihren Füssen, und sah sie mit glänzenden schwarzen Knopfaugen an. Ein nackter rosa Schwanz ringelte sich hinter ihm und seine in alle Richtungen abstehenden Schnurrhaare erzitterten.
Und es kamen noch mehr. Zuerst eine zweite, dann noch eine, zwei, drei! Dutzende von Ratten! Dunkelbraune und schwarze, mit struppigem oder glänzendem Fell, grosse, kleine, abgemagerte und feisse, alle, alle kamen sie von irgendwo zu ihrer linken den Hohlweg herauf gehuscht. Aber sie blieben nicht stehen, wie die erste, nein, sie hielten kaum inne, um sie zu betrachten, wie sie da voller Entsetzen, den Rosenkranz fest mit einer Hand umklammert, an ihrem Weg sass. Dutzende von ekelhaften, abstossenden, unreinen Ratten zogen an ihr vorbei und verschwanden raschelnd und fiepend zwischen den losen Blättern am Boden.
Nur dieses eine, leuchtend schwarze Tier hockte noch da, auf seinen langen Hinterpfoten, die scharf umrissene Nase in ihre Richtung gestreckt, und schnupperte, und schaute sie an, mit diesen Knopfaugen. Sie traute sich nicht, es zu verscheuchen, womöglich würde es sie beissen. Auch konnte sie sich nur wenig bewegen, ohne einen scharfen Schmerz in ihrem Fussgelenk zu verspüren. So machte sie ein zischendes Geräusch und schaute es böse an. "Hau ab, blödes Tier! Fahr zur Hölle!" schrie sie schliesslich. Aber es schaute sie nur frech an und reagierte nicht. Verzweifelt schloss Priscilla die Hände fester um ihren Rosenkranz, und schliesslich, weil ihr nichts anderes einfiel und weil sie es sich so angewöhnt hatte, begann sie, die Holzperlen durch ihre Finger gleiten zu lassen und zu beten. Leise murmelnd sass sie da und sprach die Verse, die ihr ihre Grossmutter an kalten Wintertagen vor langer, langer Zeit beigebracht hatte, und sie spürte, wie sie sich allmählich beruhigte.
"Gegrüsst seist du, Maria" - Die Ratte reckte den Kopf. "Voll der Gnade" - Spitzte sie die Ohren? "Der Herr ist mit dir..." jetzt kam dieses Vieh doch tatsächlich zu ihr hin gewuselt! Entsetzen packte Priscilla von neuem und sie wich zurück, so gut es ihre sitzende Stellung zuliess.
Aber die Ratte streifte nur kurz ihr Handgelenk mit ihrem ekelerregenden nackten Schwanz und sauste dann an ihr vorbei, dahin, wo schon die anderen verschwunden waren. Priscilla zuckte zurück und säuberte hastig ihre Hand an ihrer Schürze. Aber dann hörte sie voller Erleichterung zu, wie das abscheuliche Tier im Wald verschwand.
Mittlerweile fühlte sich ihr Bauch an wie ein Brunnenloch. Sie musste unbedingt etwas zu essen finden. Mühsam richtete sie sich auf und versuchte, aufzutreten, wäre aber beinahe wieder gestürzt. Die kühlenden Kräuter hatten den Schmerz in ihrem Knöchel wohl etwas gelindert, aber er war bestimmt gebrochen. Priscilla zog sich, so gut es auf den Händen und einem Knie eben ging, zu einem nahegelegenen Gestrüpp und suchte nach einem stärkeren Ast, der ihr als Gehilfe dienen konnte. Sie musste ihr Messer zu Hilfe nehmen, aber schliesslich schaffte sie es, eine einigermassen brauchbare Krücke in der Hand zu halten. Damit ging es schon viel besser.
Sie hatte gerade beschlossen, dass sie als erstes nach etwas Essbarem suchen müsse, als es im Laub schon wieder raschelte.
Sie erkannte das Tier sofort an der spitzen Nase und dem glänzenden schwarzen Fell und erstarrte mitten in einem unbeholfenen Schritt. Die Ratte reckte ihre Schnauze über das Gewirr von toten Blättern hinaus und hatte ihren nackten Schwanz nach hinten ausgestreckt wie eine Fahnenstange. Einen Schritt vor Priscillas Füssen hockte sich das Vieh hin und schnupperte. Es hatte etwas im Maul getragen, das es sich nun geschickt zwischen die Vorderpfötchen klemmte. Wie sie da so sass und sie ansah, diese seltsame Pflanze in den Pfoten, die wie kleine rosa Händchen aussahen, sah sie beinahe... erwartungsvoll aus. Priscilla konnte nicht anders. Sie stiess einen leisen Stosseufzer aus, liess sich mühsam in eine sitzende Stellung sinken und betrachtete das Mitbringsel des Tierchens näher. Es war eine Pflanze, die seltsame kleine, fächerartige Blätterbündel trug. Die Blätter waren tief dunkelgrün und schienen einen bläulichen Schimmer zu haben. Priscilla hielt den Atem an und beugte sich unwillkürlich weiter vor, um sich die Pflanze genauer anzuschauen. Sie fand, was sie suchte. Zwischen den fächerartigen Blättchen sassen kleine, hellblau glänzende Knöllen, immer drei nebeneinander.
"Mondkraut!" hauchte Priscilla hingerissen. "Beim Himmel, wo hast du das bloss her?" Sie war so aufgeregt, dass sie ganz vergass, sich vor dem gefürchteten Tier in Acht zu nehmen. Sie streckte die Hand nach der Pflanze aus, und sofort liess die Ratte sie fallen, damit das Mädchen sie aufheben konnte. Fasziniert drehte Priscilla das Mondkraut in den Händen, und ein nicht enden wollender Strom von Gedanken pulsierte in ihrem Schädel. Mondkraut war sehr selten. Es wuchs nur an gut gepflegten Stellen, wo keine anderen Pflanzen ihm das Licht wegnahmen, es immer genug Feuchtigkeit und Sternenlicht gab. In der freien Natur war sie dem Kraut noch nie begegnet. Aber auch die Menschen bauten Mondkraut nicht an, weil es zu nichts nütze war. Nur wenige Eingeweihte wussten um das Geheimnis seiner Heilkräfte und seiner Fähigkeit, die Mondsucht zu lindern. Und diese Eingeweihten... waren Kräuterfrauen. "Hexen", hätten die Leute gesagt.
Die Ratte musste das Kraut im Garten einer solchen Frau gefunden haben. Wenn sie diesen Ort nur finden könnte, dann wäre sie in Sicherheit!
Priscilla fühlte sich, als würde neues Leben sie wie Wein durchströmen. Ein leises Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie ihren Stab mit beiden Händen packte, sich auf die Füsse zog, und mühsam, das Mondkraut immer noch in ihrer Faust geborgen, in die Richtung humpelte, aus der die Ratte gekommen war.
Die grabenartige Senke zog sich immer weiter durch den Wald und ihre steilen Wände liessen Priscilla gar keine Wahl, ausser, ihr zu folgen.
Langsam erklomm die Sonne den Zenit, während Priscilla sich immer noch tapfer durch den Wald kämpfte. Als die goldenen Strahlen wieder anfingen, schräg durch das Blätterdach zu fallen, schien der Schmerz in Priscillas Knöchel das einzige Gefühl zu sein, dessen sie noch fähig war. Mühsam versuchte sie, die pochenden Blitzschläge, die jeder Schritt auslöste, zu ignorieren, an etwas anderes zu denken. Aber alles, was ihr sonst noch einfiel war, dass auch in ihrem Magen ein Schmerz war - der nagende Hunger, der ihren Körper von innen her zu verzehren schien. Die Rinne zog sich hin und hin. Endlose Reihen von Bäumen, die zu goldbraunen Flecken und dunklen Schemen wurden, säumten ihren Weg. Schwarze Flecke trübten ihre Sicht und immer wieder strich sie sich traumverloren mit der Hand über die Augen, um besser sehen zu können. Aber es nutzte nichts. In ihrer Verzweiflung schloss sie die Hand noch fester um das Mondkraut und klammerte sich an den Gedanken, die Hütte einer Kräuterfrau zu finden. Sie bemerkte nicht, dass sie zu taumeln begann. Aber sie bemerkte auch nicht, dass sich die Bäume ringsum langsam lichteten und mehr spätnachmittägliches Licht auf den Boden der Senke fiel, die immer flacher zu werden begann, bis sie schliesslich in ebenen Boden auslief.
So traf Priscilla die Helligkeit völlig unerwartet, als sie schliesslich aus dem Wald trat. Es kam ihr vor, als würde sie aus einem langen, dumpfen Traum erwachen, als sie sich zwang, die hügelige Landschaft zu überblicken, die sich ihr darbot. Grüne Wiesen zogen sich allmählich immer höher, bis sie abrupt in einer hohen Klippe endeten, die tief in einen stahlgrau glitzernden See hinabfielen. Und auf der Klippe stand ein Schloss. Nicht ein Fürstenschloss oder etwas, was dem nahekam, was sie unter Schloss verstand. Es war ein riesiges Steingebäude, mit vielen hundert Türmchen und Zinnen, Erkern und Nebengebäuden, alle so wunderlich aneinander gefügt, als hätte ein Kind mit Bauklötzen gespielt.
Erst ein leises Rascheln neben ihren Füssen weckte Priscilla aus ihrer andächtigen Betrachtung. Da sass die Ratte und schaute zu ihr hoch. Priscilla hätte schwören können, dass sie sie kumpelhaft angrinste. Aber ein neuerliches Geräusch liess ihren Kopf wieder hochschnellen. Keine zehn Schritte vor ihr stand eine Frau und betrachtete sie aus stahlgrauen, harten Augen. Die Frau trug einen Umhang! Und einen Spitzhut! In der einen Hand hielt sie eine Harke, in der anderen einen jungen Setzling - es war Mondkraut. "Hallo!" sagte die Frau. Ihre Stimme war hart und kehlig, aber sie hatte einen warmen Unterton. "Meine Güte, Kind, du siehst vielleicht aus! Du bist ja völlig erschöpft!"
Priscilla brachte nur ein müdes Nicken zustande.
"Na, das werden wir bald haben, meine Kleine." Die Frau überwand mit kleinen, schnellen Schritten, die ihren Umhang rascheln liessen, die Entfernung zwischen ihnen, und legte Priscilla mütterlich einen Arm um die Schulter. "Du kommst erst mal mit mir ins Schloss, dort kannst du dich ausruhen." sagte sie beruhigend, während sie Priscilla sanft vom Wald wegführte. Priscilla schaute über die Schulter zurück und konnte im braunen Laub deutlich die schwarze Gestalt der Ratte ausmachen.
"Wie heisst du denn, meine Kleine?"
"Priscilla, Madam."
"Na, Priscilla, ich bin Professor Furunkulax. Willkommen in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei!"
Ganz bestimmt hatte die Ratte gegrinst!

by yaga

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