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Von Schwarzmagiern und Patroni am Beispiel des Tom Vorlost Riddle

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Schon viele Hexen und Zauberer haben sich mit der Frage beschäftigt, ob Der-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf, der Einfachheit halber im weiteren Tom Riddle oder Lord Voldemort genannt, einen Patronus heraufzubeschwören vermag.
Manche sagen: "Glückliche Erinnerung? Dieser gemeingefährliche Psychopath?" Andere wiederum behaupten, dass Voldemort keine Angst kenne. Einigkeit besteht allein darüber, dass es zur erfolgreichen Beschwörung eines Patronus zweierlei bedarf: Erstens, den Wunsch sich vor einer Gefahr für die eigene Seele und damit das eigene Leben als sich selbst bewusste Person (im Unterschied zum rein körperlichen Überleben) zu schützen, und zweitens, eine glückliche Erinnerung. Von diesen beiden Prämissen ausgehend, wollen wir uns nun der Frage in drei Abschnitten nähern: 1) War der junge Tom Riddle, ehe er seinen ersten Horkrux erschuf, in der Lage einen Patronus zu beschwören? 2) Hat die Aufspaltung der Seele in einen oder mehrere Horkruxe Auswirkungen auf die Fähigkeit, einen Patronus zu beschwören? Und 3) konnte der "ausgewachsene" Lord Voldemort einen Patronus beschwören?

Ehe wir uns diesem Fragenkatalog zuwenden, sollten wir eine Sache festhalten: Schwarze Magie und weiße Magie schließen sich nicht gegenseitig aus. Ein Schwarzmagier wird auch weiße Magie verwenden, wenn ihm diese nützlich ist. Die Ansicht einiger Magier, dass weiße Magie - und als solche gilt auch die Beschwörung von Patroni - von Schwarzmagiern entweder nicht angewandt werden kann oder die Anwendung derselben von diesen verachtet wird, ist falsch. Wenn wir uns die Magie als ein Spektrum an Möglichkeiten vorstellen, das jeder Hexe und jedem Zauberer offensteht, dann stellt die Grenze zwischen schwarzer und weißer Magie eine Übereinkunft der magischen Gesellschaft darüber dar, was sozial, moralisch und menschlich akzeptabel ist und was nicht. Diese Grenze kann sowohl in einer Gesellschaft historisch variieren wie auch zwischen verschiedenen Gesellschaften. Ein Schwarzmagier nimmt sich nun die Freiheit, diese gesellschaftlich gesteckte Grenze zu überschreiten. Das heißt aber nicht, dass er gesellschaftlich akzeptierte Formen der Magie nicht praktiziert. Die Ausübung bestimmter schwarzmagischer Praktiken mag hingegen seine Fähigkeit zur Ausübung anderer Magieformen beeinflussen und der Erörterung dieser Möglichkeit widmet sich dann der zweite Teil unserer Abhandlung.

Fangen wir nun nach diesem kleinen Exkurs vorne an: Schon der junge Tom Riddle war offenbar von dem Gedanken besessen, sein Leben zu schützen, genauer gesagt: nicht sein körperliches Überleben, sondern seine Seele. Paradoxerweise erfahren wir dies gerade aus seinen Bestrebungen, seine Seele zu teilen. Er wollte die Unsterblichkeit dadurch erlangen, dass er einzelne Teile seiner Seele an leblose Gegenstände festband, um eine Zerstörung seines eigenen Körpers überleben zu können. Zwischen Absicht und Umsetzung können wir getrost eine Zeitspanne von einigen Monaten bis Jahren setzen und von daher die Frage beantworten, ob der junge Tom Riddle sich vor Dementoren hätte schützen wollen. Da Dementoren die Seele "auffressen" und Tom seine Seele deutlich höher bewertet als seinen Körper, ist diese Frage zu bejahen. Der junge Tom Riddle hatte also durchaus ein Interesse daran, sich vor Dementoren zu schützen. Zudem ist bei ihm recht früh das Interesse für dunkle Magie und schwarze Gestalten belegt, so dass wir auch davon ausgehen können, dass Tom Riddle diese Fähigkeit für nützlich erachtete, weil er damit rechnete, einmal mit Dementoren zu tun haben zu können.

Doch selbst wenn er wollte, hatte der junge Tom überhaupt die Fähigkeit, einen Patronus herzustellen? Das magische Potential wird er auf jeden Fall gehabt haben. Harry Potter gelang es - unter Anleitung - im dritten Schuljahr, einen Patronus zu beschwören. Der junge Tom Riddle erscheint ungleich begabter als Harry und hat sicherlich auch mehr Energie als dieser darauf verwendet, aus Büchern alte, obskure Zaubersprüche zu erlernen oder auch neue zu erfinden. Ähnlich wie der junge Severus Snape wird er die Grenzen der (erlaubten) Magie ausgetestet und auch überschritten haben. Der Patronus-Zauber erscheint dabei eher als vergleichsweise kleiner Schritt auf dem Weg zur magischen Perfektion. Doch auch wenn er das Potential in jungen Jahren - sagen wir ab ca. 13 Jahren - bereits hatte, wie sieht es mit der glücklichen Erinnerung aus? Dem bleibt nur zu entgegnen: Sind Tyrannen, Mörder, Psychopathen etwa per se unglücklich? Erscheint Voldemort nicht eher gerade dann glücklich zu sein, wenn er andere unglücklich macht, sie seinem Willen unterwirft, sie tötet? Wird nicht auch der junge Tom Erinnerungen gehabt haben, an die er gerne und mit Stolz zurückdachte?

Ich will einen Schritt weitergehen und eine solche Erinnerung vorschlagen, die dem jungen Tom als Mittel zur Beschwörung eines Patronus gedient haben könnte. Paradoxerweise spielt ausgerechnet Albus Dumbledore, Toms kritischer Lehrer und Voldemorts späterer Gegner, darin eine herausragende Rolle. Wir erinnern uns, wie Prof. Dumbledore in merkwürdiger Aufmachung in Toms Waisenheim erschien. Tom hatte Angst, verrückt zu sein oder wenigstens als solches zu gelten. Und nun kommt Dumbledore zu ihm und sagt: Du bist nicht verrückt, du bist magisch begabt, du kannst zaubern. Auf einmal ist sie weg, die Angst, und dafür macht sich ein anderes Gefühl in Tom breit: Das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Er hatte es ja schon immer geahnt, aber jetzt weiß er es. Er erfährt auch, dass er bald lernen wird, seine Magie besser zu beherrschen und dann kann er nicht mehr nur kleine Waisenkinder terrorisieren, nein, er kann es allen zeigen... Mir scheint, dass dies nicht nur eine wichtige, sondern auch sehr glückliche Erinnerung für Tom ist. Eine, mit der er sich über die langen Sommerferien im Waisenheim hinweggetröstet haben wird. Tom hatte nun seinen Platz in der Welt gefunden und nicht nur das, einen hervorragenden Platz. Denn bald zeigte sich ja, dass Tom nicht nur magisch begabt, sondern auch unter den Hexen und Zauberern ein besonders vielversprechendes Talent war.

Doch was folgt aus dieser Erinnerung für Toms Patronus? Nun, alles spricht dafür, dass es ein Phönix war - was Tom peinlich gewesen sein könnte. So sehr er an dieser Erinnerung hing, so sehr mochte er doch Albus Dumbledore nicht leiden. Der Phönix als Dumbledores "Haustier" war vielleicht nicht allgemein bekannt, aber doch sicher dem ein oder anderen ein Begriff. Doch auch davon abgesehen eignete sich der Phönix gut als Symbolisierung dieser Erinnerung: Wie der Phönix aus der Asche stieg schließlich der junge Magier Tom Riddle aus der Hülle des verrückten Waisen Tom. Dennoch: Es wird keine Erinnerung sein, die Tom gerne mit seinen Mitschülern teilte und von daher wird er sich wohl eher gehütet haben, einen Patronus in Gesellschaft heraufzubeschwören.
Womöglich kam es eh bald zu einer Patronus-Änderung, denn je mehr Erfolg Tom hatte, desto näher liegt es, dass ein eigener Erfolg als stimulierende Erinnerung den Patronus erzeugte. Als einen solchen Erfolg schlage ich das Auffinden und die Öffnung der Kammer des Schreckens vor. Tom Riddle gelang es, eine Kammer zu finden, die als Legende galt, die sein Vorfahre Salazar Slytherin erbaut hatte und in der ein Basilisk hauste, der ihm aufs Wort gehorchte. Ein unglaubliches Erfolgserlebnis für den 16-jährigen Schüler, das sicherlich alles Gewesene in den Schatten stellte. Von daher mag sich nun auch sein Patronus geändert haben: vom Phönix zum Basilisken. Es fällt auf: Tom ist nicht gewöhnlich, keine Löwen, Otter, Hirsche oder Schlangen für ihn, nein, seine Patroni sind selbst in der magischen Welt außergewöhnlich.

Kurze Zeit später findet Tom Riddles erster Mord statt und zugleich die Kreation seines ersten Horkruxes. Wir kommen nun zu einer entscheidenden Frage: Bei jedem Mord wird die Seele gespalten, wenn auch nicht notwendigerweise ein Seelenteil den Körper verlässt, sondern die Seele wieder zusammenwachsen kann. Hat diese Spaltung einen Einfluss auf die Fähigkeit, einen Patronus zu beschwören? Wenn dem so wäre, so würden Mörder keine Patroni erzeugen können, zumindest nicht, solange sie nicht ihre Taten aufrichtig bereut hätten. Dafür gibt es aber keinen Anhaltspunkt, denn tatsächlich sehen wir im siebten Band im Ministerium so einige düstere Gestalten, die zumindest mittelbar für den Tod anderer verantwortlich sind, und die Patroni haben (z.B. Dolores Umbridge). Die Spaltung der Seele hat also keine Auswirkungen auf die Fähigkeit, einen Patronus zu beschwören - aber vielleicht die Absonderung dieses Seelenteils in einen unbelebten Gegenstand?

Hier sind wir nun auf Spekulationen angewiesen und somit auf schwankendem Boden angelangt. Einerseits spielt die Seele bei dieser Art von Magie eine wichtige Rolle, wir haben das schon daran gesehen, dass wir für die Erzeugung eines Patronus eine glückliche Erinnerung brauchen und nicht lediglich den Willen dazu wie bei anderen Sprüchen. "Accio Schreibfeder" klappt auch ohne seelische Involvierung, wir müssen uns dazu lediglich die betreffende Schreibfeder genau vorstellen und den festen Wunsch haben, sie jetzt in Händen zu halten. Schon kommt sie angerauscht, kein Hexenwerk also. Andererseits, brauchen wir für eine glückliche Erinnerung wirklich die ganze Seele in einem Körper? Die Seele ist ja nicht zerstört, lediglich auf verschiedene Objekte aufgeteilt, von denen alle bis auf einen sozusagen "ruhen". Es scheint unwahrscheinlich, dass Voldemort Zugriff auf seine ausgelagerten Seelenteile hatte, denn er hat es allem Anschein nach nicht mitbekommen, wenn wieder ein Horkrux zerstört wurde. Auf der anderen Seite hatte der Prozess der Horkruxerstellung nachweislich Auswirkungen auf sein Aussehen und auch auf sein Verhalten. Ersteres wurde zunehmend menschenunähnlicher und letzteres nahm noch mehr als zuvor psychopathische Züge an. Von daher vermute ich, dass die Horkruxierung Voldemorts nicht grundsätzlich zu einer Unfähigkeit geführt hat, Patroni zu erzeugen, aber doch ihre Auswirkungen auf die Gestalt des Patronus hatte. Gehen wir davon aus, dass sich der Patronus an sich nicht geändert hatte, also nach wie vor ein Basilisk war, so könnte dieser unförmiger, verwaschener geworden sein, eventuell auch entstellt. Vielleicht fehlte ein Auge oder ein Nasenloch, der Schuppenpanzer mag löchrig geworden sein, wer weiß. Unter diesen Umständen wird dann verständlich, warum niemand Voldemort je einen Patronus erzeugen sah. Ein solch entstellter Patronus von dem angeblich mächtigsten Zauberer aller Zeiten wäre keine gute Reputation gewesen und sicher nicht geeignet, Gegner wie Anhänger zu beeindrucken. Allerdings hatte es Voldemort zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr nötig, selbst einen Patronus zu beschwören. Für derlei Kleinigkeiten hatte er seine Todesser und keiner von diesen wird auch nur gewagt haben auf den Auftrag, einen Patronus zu beschwören, mit "Mach's doch selber, Meister" zu antworten.

Auf gewisse Weise schließt sich damit der Kreis: Auch der vollendete Lord Voldemort wird um seine Restseele besorgt genug gewesen sein, um sie schützen zu wollen und auch wenn die genannten glücklichen Erinnerungen schon etwas zurücklagen, werden sie dadurch nicht entwertet. Wunsch und Fähigkeit, einen Patronus zu erzeugen, waren also vorhanden. Doch die Möglichkeiten hatten sich geändert. Statt sich womöglich mit einem entstellten Patronus zu blamieren und seinen im Körper verbliebenen Seelenrest zu strapazieren, genügte nun ein "Zauberstäbe raus und Patroni erstellt", um sich effektiv zu schützen.
Damit bleibt noch eine Frage offen: Hätten Dementoren überhaupt ein Interesse daran gehabt, Voldemorts Restseele sich einzuverleiben? Wir können diese Frage nicht wirklich beantworten, da Dementoren eher selten über die Güte eines potentiellen Mahls mit Nichtdementoren diskutieren. Ein Indiz könnte aber sein, dass das aus Harry Potter, Ronald Weasley und Hermine Granger bestehende Trio nicht einmal daran dachte, einen der Horkruxe als eine Art Lutscher den Dementoren vorzuwerfen. Es mag sein, dass die Seelenteile zu klein waren, als dass sie die Aufmerksamkeit eines Dementors geweckt hätten. Oder aber auch Dementoren haben gewisse Mindestanforderungen an Seelenqualität, die Voldemorts Seelenachtel* einfach nicht mehr erfüllten.

* Außer Acht gelassen wurde nun die Frage, wie groß die Seelenanteile der Horkruxe eigentlich waren. Auf sie will ich zumindest kurz noch eingehen: Voldemort wollte seine Seele in sieben Teile teilen, doch schuf er versehentlich einen Horkrux zu viel. Ist es denkbar, dass ein Zauberer bei der Erschaffung eines Horkruxes die Größe des Seelenpartikels bestimmen kann, so wird Voldemort sieben gleichgroße Teile bestimmt haben. Dann hätte er aber vermutlich bei der Quantifizierung seiner Seele auch bemerkt, dass er sieben Horkruxe erschaffen hatte. Da dies nicht der Fall gewesen ist, können wir annehmen, dass Voldemort auf die Größe des abgespaltenen Seelenteils keinen Einfluss hatte. Damit gibt es zwei Möglichkeiten: 1) Ein Teil der Seele wird abgesprengt, wobei die Größe dieses Teils variiert und nicht bestimmbar ist. Dann erübrigt sich jede weitere Erörterung darüber, wieviel Seele Voldemort noch in seinem Körper hatte. 2) Die sich im Körper befindende Seele bzw. der dortige Seelenrest wird hälftig geteilt, wobei eine Hälfte im Körper verbleibt und die andere Hälfte sich im Horkrux ablagert. In diesem Fall könnten wir bei Voldemort einen ganz rapiden Seelenschwund konstatieren. Nach Erschaffung des ersten Horkrux hatte er noch eine halbe Seele, nach der des zweiten eine viertel... und nach dem siebten Horkrux nur noch ein Hundertachtundzwanzigstel! Unter diesen Umständen verwundert die "Verwandlung" Voldemorts wenig und man ist eher geneigt zu staunen, dass er überhaupt noch Menschliches an sich hatte. Doch ob eine solche mathematische Betrachtungsweise berechtigt ist, vermag niemand zu sagen und von weiteren "Forschungen" in dieser Richtung sei hiermit dringend abgeraten!

Text von Annele

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